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Vom Abschütteln und Loslassen

Der Herbst hat nahezu alle Blätter von den Bäumen geschüttelt, ist das Alte losgeworden. Und ich frage mich, warum es uns Menschen manchmal so schwer fällt, es den Bäumen gleich zu tun und das Alte (regelmäßig) loszulassen. Die Natur macht es uns doch Jahr für Jahr vor: Im September beginnen sich die Blätter in unseren Bäumen zu färben, als würden sie noch einmal die vergangenen Monate in Farbe tunken, das Alte in den schillerndsten Farben würdigen. Nach und nach fallen sie zu Boden. Sie plumpsen nicht einfach herab, sie taumeln, segeln, schweben… in aller Langsamkeit. Würdevoll. Sie geben dem Baum, ihrem Haus der vergangenen Monate, Raum, sich zu erholen, neue Kraft zu tanken. Sobald zum Ende eines Winters die Sonnenstrahlen langsam wärmer werden, entsteht ebenso ganz langsam etwas Neues. Neue Blätter erblicken das Licht der Welt. Eine neue Zeit für den Baum zu strahlen, in sich zu wachsen, natürliche Freude in die Welt zu tragen.

Wie ist das nun bei uns Menschen? Wir tragen unsere Themen manchmal jahrelang mit uns herum. Bei den positiven Dingen ist das sicher nicht verkehrt. Sie zaubern uns schließlich ein Lächeln ins Gesicht. Aber was ist mit unseren Sorgen, Konflikten, Nöten? Warum kleben diese in unserem Verstand fest und halten unser Herz verschlossen? Und lassen nicht zuletzt unsere Mundwinkel eher nach unten zeigen. Warum tun wir uns so schwer, diese anzugehen, aus dem Weg zu räumen, loszulassen?

Bleibe ich in meinen Sorgen, gebe ich ihnen die Macht, über mich zu herrschen. Und damit verbaue ich mir die Möglichkeit, Positivität in mein Leben zu bringen. Oftmals gehen schlechte Zeiten mit negativen Gedanken einher. Hier vergessen wir oftmals, dass diese Gedanken auch wieder verschwinden können. Der Trick ist, sich dieser Gedanken bewusst zu werden. Und wahrlich ist das tricky, denn wie hier schon einmal kurz beschrieben, umgeben wir uns täglich mit einer Vielzahl von Gedanken. Aber fangen wir doch mit einem Gedanken an, der uns tagsüber begegnet. Halten wir diesen Gedanken fest und schauen ihn uns an. Ist er wahr? Bringt er Erinnerungen ans Licht, die wir längst vergessen hatten? Womit verbinden wir den Gedanken? Welche Gefühle löst er aus? Ist da Wut, Trauer, Hilflosigkeit oder Begeisterung, Freude, Zuversicht, was du spürst? Tut uns der Gedanke gut? Und wenn er uns nicht gut tut, warum halten wir ihn dann fest?

Ich schaue gerne hin, auch wenn es hin und wieder weh tut. Ich übe mich jedoch mehr und mehr darin, Gedanken auch schnell wieder loszulassen, denn wenn das Gedankenkarussell erst einmal in Schwung gekommen ist, fällt es mir noch schwerer, bei laufender Fahrt abzuspringen. Es klappt sicher auch dann, jedoch braucht es mehr Mut. Beim Hinschauen hilft mir Aufschreiben. Das ist auch eine Form von Loslassen. Aus dem Kopf aufs Papier. Gerade bei destruktiven Gedanken hilft es mir, mir bewusst zu machen, dass ich selbst bestimmen kann, was ich denke. So drehe ich Gedanken auch gerne mal um und wechsle dabei die Perspektive.

Gedanken, die sicher auch schon dir begegnet sind, kommen mir hin und wieder mit Blick auf den überquellenden Wäschekorb. „Oh nein, ich muss noch unbedingt die Wäsche machen. Jede Woche das gleiche Spiel! Warum bleibt das immer an mir hängen?!“ Ist es in Umkehrung nicht schön, endlich wieder die wohlig duftende Lieblingsjeans anziehen zu können, auf der bis eben noch die Kleckse der letzten Portion Spaghetti Bolognese klebten? Ist es nicht schön, eine Waschmaschine im Haus zu haben, statt wie vor etlichen Jahrzehnten noch Wäsche im brackigen Wasser des nächsten Flusses zu schrubben? Wie viel (Lebens-) Zeit hätte mich das wohl gekostet? Ist es nicht schön, so viel Kleidung zu besitzen, dass ich mir jeden Tag innerhalb einer begrenzten Zeit – also bis zur nächsten Wäsche – aussuchen kann, was ich anziehe? Und ich öffne mich somit neuen Gedanken über Möglichkeiten, die ich habe, an meiner Situation etwas zu ändern, z. B. Wer kann mir das Wäschemachen abnehmen?

Welchen Gedanken hältst du heute noch fest und schaust ihn dir an? Trau dich, dann auch loszulassen – wie die Bäume ihre alten Blätter.

6 Gedanken zu „Vom Abschütteln und Loslassen“

  1. Toll, danke, Susanne! Zur Prise Vertrauen lasse ich noch eine Prise Geduld einrieseln, beides wächst bei mir noch. ☺️

  2. Bisher war das so, nur nicht immer konnte ich mit den Antworten etwas anfangen. Manchmal mussten noch andere Dinge passieren, noch Zeit verstreichen, bis ich es wirklich verstand. Aber mittlerweilen kenne ich das ja und weiß, dass ich es verstehen werde, wenn die Zeit reif ist. Mit einer Prise Vertrauen ins Leben kann ich also auch da loslassen.

  3. Danke dir sehr, Susanne! Das finde ich super, wie das Licht auf deine Gedanken drückst. Kommen auf deine Fragen jeweils immer Antworten?

  4. Sehr treffend geschrieben. Beim Hinschauen hilft mir auch das Aufschreiben, das ist eins der wichtigsten Mittel im Ordnung im Gedankenchaos zu schaffen. Wenn ich den Gedanken gründlich genug beleuchtet habe, sodass er mir nicht mehr erhalten bleiben muss als Überbringer einer Botschaft, kann ich ihn gehen lassen, einfach so. Mal eben hinhören, fragen „was willst du mir sagen, was kann ich besser machen“ und dann einfach nicht mehr festhalten, die Schwerkraft erledigt den Rest.

  5. Wenn du magst, schau‘ dir deine Gedanken im angereicherten Backup an und fühle mal nach. Fällt dir irgendein Muster auf? Das klappt ganz gut, wenn du nicht gerade den Einkaufszettel notiert hast. Obwohl… das Wort Lebkuchen auf meinem gedanklichen Einkaufszettel löst Appetit und Vorfreude aus. 😀

  6. Da gibt es sicher ein paar Dinge, die ich gern irgendwo abladen will. Die schriftliche Fixierung hilft mir da sicher auch, das „Gedanken-Backup“ sozusagen.

    Oh, jetzt muss … ähm … darf … ich aber meine Laufklamotten aufhängen 😉

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