(Selbst-) Führung, Kommunikation

Sag‘ doch einfach, was du willst!

„Ich will nicht so früh aufstehen!“, „Ich habe keine Lust auf Urlaub in den Bergen.“, „Ich mag jetzt keine Erbsensuppe.“ Wir sprechen oft darüber, was wir alles nicht wollen. Mach doch mal den Test und höre dir selbst beim Reden zu. Ein paar Tage reichen schon und du wirst feststellen, dass du ganz schön häufig sagst, was du nicht willst statt dein Umfeld wissen zu lassen, was du möchtest und was dir demnach wichtig ist. Grundsätzlich wichtig im Leben. Wichtig  für den kommenden Tag, den kommenden Urlaub. Wichtig in genau diesem Moment. Oftmals vermeiden wir sogar, unsere Wünsche offen zu benennen. Und so schweigen wir lieber, um andere nicht zu verletzen. Dabei verletzen wir in erster Linie uns selbst, indem wir uns selbst nicht ernst (genug) nehmen. Oder aber wir reden am anderen vorbei. Immer wieder gerne in privaten Beziehungen: „Du, der Mülleimer ist voll.“ oder „Die Nachbarn machen schon wieder eine Kreuzfahrt. “ Auch im beruflichen Umfeld rutscht uns schon mal ein „Ich weiß gar nicht, wann ich das alles erledigen soll.“ oder „Mein Chef hat schon wieder keine Zeit für mich.“ raus. Im Grunde wissen wir doch, dass uns unsere Wünsche niemand an den Augen ablesen kann. Es braucht zum Aussprechen Offenheit und Vertrauen, denn wir wollen weder verletzt noch abgewiesen werden. Manche Menschen haben nie gelernt, offen über ihre Bedürfnisse zu sprechen. Zu groß ist die Angst vor Verletzungen oder auch in den Wissen, dass jemand anderes zu viel über einen weiß. 

Werde dir deiner Wünsche bewusst

Ganz am Anfang steht immer, sich selbst darüber im Klaren zu sein, was man sich wünscht bzw. welche Bedürfnisse wirklich wichtig sind. Damit einher geht die Frage, ob diese Wünsche und Bedürfnisse berechtigt und angemessen sind. Was nützt es uns, sich den nächsten Urlaub in der Karibik zu wünschen, wenn es aktuell eher mau in der Urlaubskasse aussieht? Und dennoch hilft es, dann darüber zu sprechen, vielleicht ist mit einem gemeinsamen Sparziel der Urlaub im darauffolgenden Jahr unter Palmen auf der Lieblingsinsel möglich. Wenn wir nicht aussprechen, was wir wollen, bekommen wir es meist auch nicht. Und ja klar, manchmal schlägt uns Gegenwind entgegen. Den gilt es dann auszuhalten und sich klarzumachen, dass dieser nichts mit uns als Person zu tun hat. Wir dürfen unsere Wünsche und Bedürfnisse aussprechen, und wenn wir das tun, dann in voller Verantwortung genau dafür. Die Verantwortung für die Reaktion oder Situation unseres Gegenübers tragen wir nicht. Und doch umtreiben uns Gedanken wie „Wird sie das unhöflich finden?“ oder „Wird ihn das verletzen?“, und zwar noch bevor wir unsere Wünsche äußern. Also nochmal: Wir haben das Recht, unsere Bedürfnisse auszusprechen. Wie die anderen damit umgehen, bleibt deren Verantwortung. Unsere Verantwortung beim Aussprechen ist es jedoch, keine Forderungen zu stellen oder Befehle zu erteilen. 

So sprichst du deine Wünsche an

Und, kennst du deine Bedürfnisse? Überlegst du, wie du diese am besten vermittelst? Schau doch einmal, hierauf kommt es an: 

  • Achte auf den richtigen Zeitpunkt: Du weißt ja, zwischen Tür und Angel funktioniert es einfach nicht. Auch bei einem beruflichen Anliegen gibt es sicherlich einen besseren Moment als Montagmorgen oder am späten Abend.
  • Werde konkret in dem, was du möchtest: Formuliere genau, was du sagen möchtest. Vielleicht schreibst du dir vorher ein paar Sätze auf. Gerne auch kurz und knackig statt lang und ausschweifend. 
  • Verwende Ich-Aussagen: Während Du-Botschaften eher Widerstand und Konflikte erzeugen, wirken Ich-Botschaften wesentlich konstruktiver. Sei dir dessen bewusst, dass du so Vertrauen und Offenheit ausdrückst. 
  • Bleib ruhig: Das spricht für sich. In unaufgeregter Kommunikation fällt es uns leichter, auf den Punkt zu kommen. Hierbei hilft wiederum eine gute Vorbereitung. Aus einer negativen Emotion heraus gelingt es uns weniger gut, unsere Bedürfnisse zu äußern. Zu schnell laufen wir Gefahr, Distanz zu schaffen, die wir gar nicht beabsichtigt hatten.
  • Halte Blickkontakt: Bleib stets in Augenkontakt mit deinem Gegenüber, vielleicht sogar in Verbindung mit einem Lächeln. So signalisierst du Sympathie und Offenheit.
  • Akzeptiere die Reaktion deines Gegenübers: Klar, ein „Nein“ möchtest du sicher nicht hören. Und genau das solltest du dennoch akzeptieren und gleichzeitig herausfinden, warum es zustande gekommen ist. Oftmals stecken Gründe dahinter, die nichts mit dir zu tun haben. Und doch beziehen wir die Reaktion des anderen meist auf uns. Hier kannst du gut deinen Umgang mit Ablehnung üben. 
  • Sei offen für Alternativen: Vielleicht hast du dir im Vorfeld schon Gedanken über einen Kompromiss gemacht. Dann sprich ihn aus. Vielleicht bringt jedoch auch dein Gegenüber eine Alternative ins Spiel, die sich gut für dich anfühlt. Bleib aufgeschlossen und zielorientiert.

Welche Erfahrungen hast du gemacht? Fällt es dir leicht, über deine Bedürfnisse zu sprechen? In welchen Situationen brauchst du besonders viel Mut, Wünsche zu äußern? Wenn es dir noch schwer fällt, fang‘ in kleinen Schritten an. So wirst du schnell feststellen, dass du leichter zum Ziel kommst und damit die Erfüllung deiner Wünsche und Bedürfnisse näher rückt. 

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Persönlichkeit

Bist du zu nett?

Eines meiner ersten Sachbücher war „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin“ von Ute Ehrhardt. Das Buch erschien im Jahr 2000, und ich stelle fest, von böse bin ich weit entfernt. Überall hingekommen bin ich jedoch bisher, in meiner eigenen Interpretation. Gut sein, das ist schon in Ordnung und schon gar nicht muss ich böse werden, um überall hin zu kommen. Das geht auch mit Freundlichkeit und Höflichkeit. Doch ist stetes Gutsein auf Dauer auch gut? Ich sage: definitiv nein! Jedem Menschen gegenüber freundlich aufzutreten, Ärger immer wieder runterzuschlucken, jeglichen Frust zur Seite zu schieben, um erst viel zu spät regelrecht zu explodieren, das ist definitiv nicht gut. 

Achtung, Nettigkeitsfalle!

Überleg‘ mal, inwieweit erkennst du dich nachfolgend wieder:

  • Konflikten gehst du lieber aus dem Weg?
  • Du wirst häufig um Hilfe gebeten?
  • Was die anderen von dir denken, ist dir sehr wichtig?
  • Deine Meinung und Interessen anderen gegenüber zu vertreten, fällt dir schwer?
  • Du bist immer zur Stelle, wenn andere dich um etwas bitten?
  • Andere Menschen sollen dich akzeptieren und mögen?

Wenn du dies überwiegend mit Ja beantwortet hast, ist die Gefahr groß, dass deine Bedürfnisse öfters auf der Strecke bleiben, weil du in die Nettigkeitsfalle getappt bist. Das kommt natürlich nicht von heute auf morgen. Schon sehr früh in deinem Leben hast du gelernt, dass es gut und sicher für dich ist, wenn du nett und angepasst bist. Ärger, Enttäuschung und Bestrafung galt es zu vermeiden. Also hieß es: bloß keinen Konflikt! Je mehr du dieses Verhaltensmuster jedoch angewendet hast, umso mehr hat sich dein Nettsein in deinem Handeln manifestiert. Und damit hast du immer mehr aus dem Blick verloren, was du willst und was gut ist für dich. In deiner Vergangenheit war es sicherlich die passende Strategie, um Schlimmeres zu vermeiden. Heute, im Hier und Jetzt, brauchst du diese Strategie nicht mehr. 

Raus aus dem Nettsein-Automatismus

Im Hier und Jetzt gibt es immer mal wieder Situationen, in denen du es dir erlauben darfst, weniger nett zu reagieren. Und das bedeutet, auch einmal die Bedürfnisse anderer ganz bewusst nicht zu erfüllen, indem du deine Bedürfnisse in den Vordergrund stellst und entsprechend kommunizierst. Das wird anderen unter Umständen nicht gefallen, doch es macht deinen Wert nicht geringer. Im Gegenteil: weißt du es selbst nicht wesentlich mehr zu schätzen, wenn sich jemand nach zwei vorangegangenen Absagen mit dir verabredet? Beobachte dich mal, lerne den Automatismus hinter deiner Nettigkeit kennen, und dann traue dich in kleinen Schritten, anders als gewohnt zu reagieren. Probier‘ also gern aus, (freundlich) Nein zu sagen, wenn eine Situation es erfordert. Nein zu einer Aufgabe. Nein zu einer Verabredung. Nein zu einem Jobangebot. Und bedenke stets, ein „Vielleicht“ zählt nicht, wenn du ganz klar „Nein“ meinst. Lass dein Umfeld auch mal wissen, wenn dich eine bestimmte Aussage oder Handlung geärgert hat. Mach‘ dich nicht zum Opfer der Situation, sondern komm‘ ins Handeln und sprich über das, was dich beschäftigt. Alles andere kann in endlose Gedankenschleifen führen, die dich auch nicht weiterbringen. 

Achte also auf dich und deine Bedürfnisse, dann ist es auch in Ordnung, hin und wieder nicht nett zu sein. Gut genug bleibst du. Und die Menschen, die dich vorher schon gemocht haben, werden dich immer noch mögen. 

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